Wer Bücher liest oder vorliest, transportiert in den Geschichten, neben dem eigentlichen Handlungsstrang, immer zugleich auch Werte, Ideen oder, wenn es schlecht läuft, eine Menge Klischees und Vorurteile. Sich diese Position für seine Arbeit deutlich zu machen, ist für die Lesefüchse längst selbstverständlich. Daher fand das Online-Referat, das im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus von der Stadtbibliothek Giesing organisiert wurde, großes Interesse bei den Vorleser*innen unseres Vereins. „Wir merken jeden Tag, wie wichtig das Rassismus-Thema ist. Unsere Lesefuchs-Kinder kommen aus Deutschland, aber viele ihrer Eltern aus aller Herren Länder“, beschreibt Stefan Inderst, 1. Vorsitzender der Lesefüchse, die Relevanz des Themas. „Diese Kinder gehören alle zur Kultur in Deutschland dazu und sie alle sollen sich in den Geschichten auch wiederfinden können.“
Gut gemeint ist nicht wirklich gut
Frau Dr. Élodie Malanda und Sarah Bergh sprachen zur Rassenvielfalt, der in vielen Kinder und Jugendbüchern tradiert wird. Als Kind und Jugendliche war ihnen gar nicht aufgefallen, dass es eigentlich verwunderlich ist, dass in den üblichen Kinderbüchern in Europa quasi nur weiße Personen vorkommen, so selbstverständlich war das. Aber das änderte sich für die beiden dunkelhäutigen Referentinnen gewaltig. Ihr Studium der französischen Literatur schloss Malanda beispielsweise ab mit einer Promotion über den Afrikadiskurs „gut gemeinter Jugendbücher“. Denn seit gut zwanzig Jahren gibt es zwar Titel auf dem Markt, die darauf abzielen, Rassismus zu verurteilen. Doch nicht alle sind wirksam im Kampf dagegen und einige, so legte Malanda dar, vermitteln sogar – unbewusst – ein rassistisches Weltbild.
“Rasse ist ein falsches Konstrukt”
Den interessierten Lesefuchs Vorleser*innen zeigte sie eine ganze Reihe ausgewählte Beispiele von gelungenen Ansätzen rassismuskritischer Kinder- und Jugendliteratur. Eine Liste von Internetlinks, die sie den Teilnehmer*innen zugänglich machte, wird es künftig erleichtern, empfehlenswerte Bücher mit schwarzen Hauptfiguren zu finden. „Eine gelungene Veranstaltung“, resümiert Inderst: „Ich hoffe, wir finden eine Gelegenheit das Thema gemeinsam mit der Stadtbibliothek bald wieder auf die Agenda zu setzen.“ Wobei er noch grundsätzlich anmerkte, das Wort „Rasse“ sei eigentlich falsch: „Es gibt keine Rassen, im Gegenteil: Die Europäer haben wohl mit den Westafrikanern genetisch gesehen mehr Übereinstimmungen als die Westafrikaner und die Ostafrikaner. Wir müssen von diesem Begriff mal wegkommen, der von Anfang an ein reines Konstrukt war und später von den Nazis brutal missbraucht wurde.“
(hpm)