Lesefüchse feiern ihr 20-jähriges Bestehen im Alten Rathaus
Mindestens zwei Überraschungen hielt der Abend im Alten Rathaus für die Gäste der Jubiläumsfeier “20 Jahre Lesefüchse” bereit. Die eine kam nach der Videobotschaft von Bürgermeisterin Verena Dietl: Stefan Inderst, 1. Vorsitzender des Vorlesevereins legte seine Redezettel auf die Seite und begann zu singen. Ein Solo mit dem Lied von Max Raabe “Guten Tag liebes Glück”. Als sein persönliches Geburtstagsgeschenk an seinen Verein. Und zwar sehr professionell. Der Beifall für Inderst war verdient stürmisch.
Die zweite Überraschung war eben diese Videobotschaft aus dem benachbarten Rathaus. Eigentlich hatte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter angesagt, war aber kurzfristig verhindert und ließ sich von der 3. Bürgermeisterin Verena Dietl vertreten. Die hatte noch am Vormittag ein Video aufgenommen, weil sie abends ebenfalls nicht kommen konnte. Und so gratulierte sie den im Saal sitzenden Vereinsmitgliedern und Vorleser*innen überdimensional von der Leinwand herab und wünschte den Lesefüchsen noch viele erfolgreiche weitere Jahre. Es ist gar nicht so lange her, dass sie selber für die Lesefüchse aktiv gewesen ist. Beim Lesefest in Hellabrunn hatte sie das Vorlesen im Wolfsgehege übernommen. Und das, wie sie sagte, habe ihr viel Spaß gemacht. Vor allem möchte sie “den Lesefüchsen ganz, ganz herzlichen danken für den Beitrag, den sie für die Bildungsgerechtigkeit der Stadt leisten.”
Eine halbe Million Kinder glücklich gemacht
Die Bilanz kann sich auch sehen lassen: In den vergangenen 20 Jahren haben rund 60.000 Kinder den Geschichten der Vorleser*innen gelauscht. An sie wurden 24.000 Bücher verschenkt. Und 1.400 Münchner Mitbürger*innen waren schon ehrenamtlich für den Verein tätig. Aber so richtig lässt sich die Leistung des Verein wohl nur einordnen, bei einem Vergleich mit Sportveranstaltung oder Kinobesuchen. Hätte man von jedem Kind bei jeder Veranstaltung eine Eintrittskarte verlangt, dann hätte man dafür eine halbe Million Ticket gebraucht. Das heißt, die Lesefüchse haben im Laufe ihrer Geschichte eine halbe Million mal ein Kind mit einer Vorlesegeschichte glücklich gemacht!
In der vom SZ- Journalisten Alex Rühle geleiteten Talkrunde ging es genau darum: Über die “Superkraft Lesen” mit den Kinderbuchautorinnen Sabine Bohlmann, Christine Paxmann, Michaela Hanauer-Dietmaier und der Literaturwissenschaftlerin Dr. Claudia Maria Pecher. Nach ihren Lieblingsbüchern wurden sie gefragt (Petzi, Mecki, Michel aus Lönneberga und ein Weihnachtssammelbuch) und nach Lieblingsorten zum Lesen (im Bett zum Kuscheln, und überall, wo man in Ruhe lesen kann). Kann man Kindern heute noch Geschichten vorlesen, die gut ausgehen, also aus der heilen Welt stammen, wenn doch gleichzeitig die Welt in Scherben liegt, habe man ihn als Autor erfolgreicher Kinderbücher gefragt, erzählte Rühle. Was solle man da antworten, wollte er wissen. Die Damen waren sich sofort einig: Ja, gerade deswegen! “Kinder brauchen Geschichten, die gut ausgehen”, meinte Claudia Pecher. Oder Paxmann: “In den Familien ist das Vorlesen eines der Basiselemente, um glücklich zu sein. Und was Lesefüchse machen, das ist so etwas wie ausgelagertes Familienvorlesen.” Kein Familienersatz aber eine feste Bezugsperson, dort, wo es die Eltern nicht leisten können.
Zum Schluss der Veranstaltung gab es noch große Blumensträuße für alle ehemaligen Vorsitzenden der Lesefüchse und Fotobücher, die Peter Schönwälder zusammengestellt hatte. Besonders dankte Stefan Inderst der Mitbegründerin Dr. Petra Simon und der Vorleserin Ingeborg Ruml, die schon zwanzig Jahre in der Stadtbibliothek Neuaubing vorliest. Und eine extra Verbeugung galt Helga Wolf, die den Verein vor 20 Jahren überhaupt erst aus der Taufe gehoben hatte. Die musikalische Begleitung des Abends kam vom Männer-Polizeichor München, der mit einem großen Aufgebot von 20 Sängern gekommen war und der mit viel Beifall bedacht Lieder wie das von der Krimi-Mimi oder das Rendezvous Maybebop zum Besten gab.
HPM