München vibriert im Faustfestival. Auf über 100 Spielstätten und Ausstellungsflächen steht die Figur des Doktor Faustus im Mittelpunkt des Interesses. Oder Gretchen. Oder der gewitzte Gegenspieler Mephisto. Für Erwachsene ein hervorragende Sache, sich in den Faust-Stoff zu vertiefen. Mit oder ohne Johann Wolfgang von Goethe. Aber in den allermeisten Fällen wohl auch ohne Kinder. Dabei ist das Drama, richtig dargeboten, selbst für Kinder einer zweiten Grundschulklasse eine hervorragende Vorlesegeschichte.
An der Ichoschule haben wir es ausprobiert. Nicht erst zur großen Faustsause 2018, sondern bereits vor zwei Jahren. Teamleiter Hartmut Groß: “Ich hatte das Buch von Barbara Kindermann in der Sendlinger Straße antiquarisch gefunden. Bestens nacherzählt und hervorragend illustriert von Klaus Ensikat.” Zahlreiche Originalzitate vermitteln einen möglichst authentischen Eindruck der klassischen Vorlage. Vielleicht wird einem damit auch selber klar, was eine „Gretchen Frage“ und wo des Pudels Kern zu finden ist.
Aufmerksam verfolgten die Kinder seiner Gruppe die Geschichte. Immer wieder stellten sie Fragen: Was hat es mit dem Pentagramm auf sich, wie sieht es aus, warum ist Gretchen im Gefängnis, wo hat Faust plötzlich den Degen her?
Oder es war die Wette zwischen Gott und dem Teufel, die bei den kleine Lesefüchsen für Gesprächsstoff sorgte. Bei Groß’ Teammitglied Hans-Peter Meier fanden die Kinder diese Stelle höchst spannend. Am Jahresende, als sich die Kleinen bei ihren Vorlesern mit selbstgemalten Bildern bedankten, hatten einige dabei Szenen aus Faust gemalt.
Kindermann nimmt sich den roten Faden und erhält eine immer noch sehr spannende Geschichte über einen Gelehrten, der in die profane Welt seiner bürgerlichen Mitmenschen hinabsteigt. Man kann mühelos damit einen Einstieg finden zu ganz grundsätzlichen Themen zu Gott und dem Teufel, zu Lüge und Wahrheit oder Liebe und Enttäuschung. Das ist anspruchsvoll, natürlich erst recht für kleine Kinder. Aber wie immer gilt die Grundregeln, da sind sich Goß und Meier völlig einig, man darf Kinder nicht unterfordern. Lieber eine Schippe mehr auflegen und abwarten, was daraus wird. Bei der nächsten Gruppe hat es nicht geklappt. Hartmut Goß: “Das ist sehr schade, aber leider waren bei denen auch einfachere Geschichten nur schwer zu vermitteln.”
(hpm)