Oben, Unten und Lange her

Details

Autor: Michael Bright

Illustrator: Jonathan Emmerson

Verlag: Laurence King Verlag 2022

ISBN: 978–3‑96244–329‑0

empfohlen von: Annegret Hillinger

in der Stadtbibliothek: Motorama

zu finden im Interessenkreis: Kinder / Tierwissen

unter der Signatur: Uhm/BRI

Der Bucheinband erläutert uns bereits den seltsamen Titel: „Oben“: Da sind die Sonne, Vögel wie Schwalben und Falken, aber auch Tiere abgebildet, die zwar nicht fliegen können, jedoch in sehr großen Höhen leben. Zum Beispiel die Blatt­ohrmaus auf 6.739 m Höhe in den Anden. Man weiß bis heute nicht, was sie da oben frisst. „Unten“ sieht man eine Art Maulwurf im Wasser (seltsam!), ein Aal und auf der Buchrück­seite ein Riesenhai. Dieser Riesenhai wird bis zu acht Meter lang und hat ein Riesenmaul, mit dem er Plankton aus dem Meer fischt. Im Sommer trifft man ihn auch mal in Küstennähe. Doch keine Bange, für Menschen ist er nicht gefährlich. „Und Lange her“: Hier sind verstei­nerte Schalen­tiere Schne­cken­häusern ähnlich zu sehen, ein Ichth­y­o­saurier und Tiere, die an Asseln erinnern.

Gar nicht so wenige Tiere und Pflanzen sind schwer zu finden, denn sie leben an unzugäng­lichen Orten. Oder sie kommen nur nachts zum Vorschein. Oder sie passen sich der Umgebung derart gut an, dass wir sie nicht so leicht erkennen können. Wieder andere sind ausge­storben und haben sich über Millionen von Jahren in Gestein verwandelt und sind zu Fossilien geworden. Unseren Vorfahren war vieles unerklärlich und so entstand mancher Aberglaube, der sich trotz aller Entde­ckungen gehalten hat. So glauben wir, dass die pfeil­schnellen Rauch­schwalben, die mit Vorliebe ihre Nester unter vorste­henden Dächern und sogar in Kuhställen bauen, Glück bringen. Früher freuten sich die Seeleute über den Anblick einer Schwalbe, denn das bedeutete eine nahe Küste.

Es gibt Vögel, deren Körperbau oder Fähig­keiten sich extremen Anfor­de­rungen angepasst haben. So haben Strei­fen­gänse größere Flügel als andere Gänse, sodass sie auch in dünner Luft fliegen können, wenn sie den Mount Everest überqueren. Viele Vögel nutzen Klippen, um sich vor Raubtieren zu schützen. So zum Beispiel die Papagei­taucher. Sie können nämlich nicht nur fliegen, sondern auch schwimmen und Erdhöhlen graben. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie auf dem Meer. In der Brutzeit jedoch gräbt der lustig ausse­hende Vogel für sein Nest auf steilen Klippen Höhlen, so dass die Brut vor Fress­feinden geschützt ist. Die Isländer achten sehr auf das Verhalten dieser Vögel, weil diese wissen, wann ein Sturm aufzieht. Doch nicht nur Vögel und einige Säuge­tiere haben ihren Lebensraum hoch oben. Sogar Pflanzen findet man in schwin­delnden Höhen. In den spani­schen Pyrenäen – und nur hier – wächst auf fast senkrechten Felsspitzen eine kleine Pflanze mit herzför­migen Blättern, die sogar bis zu 300 Jahre alt werden kann. Das schafft das sehr langsam wachsende Pflänzchen mit Hilfe von Ameisen. Wenn diese aller­dings den Felsen verlassen, stirbt die Pflanze aus, obwohl sie ein Relikt aus einer wärmeren Zeit vor Millionen von Jahren ist.

„Unter“ der Oberfläche von Land und Meer liegen verborgene Welten, wo Pflanzen und Tiere fernab vor den neugie­rigen Menschen ihr Leben verbringen. Die bekann­testen Höhlen­be­wohner sind Fleder­mäuse. Andere Tiere und auch Pflanzen bleiben sogar ihr ganzes Leben unter der Erde, wie zum Beispiel Maulwürfe. Sie sehen zwar sehr schlecht, dafür sind aber Geruchs- und Tastsinn ausge­zeichnet. Ein gbeson­derer Maulwurf lebt in Nordamerika. Er kann nicht nur schwimmen, sondern auch unter Wasser riechen. Zudem frisst er rasant: In nur 120 Sekunden erkennt er Fress­bares und verschlingt es. Und wer hat schon einmal einen Grottenolm gesehen? Olme leben unter­ir­disch in Seen und Flüssen, die durch einige der tiefsten Höhlen­systeme der Erde fließen. Rätsel­frage: In welchem Land / Erdteil ist dies Höhlen­system mit Grottenolm? Im Gegensatz zum Maulwurf ist der Grottenolm blind. Er speichert Fett und Zucker, denn er kann bis zu zehn Jahre ohne Nahrung auskommen und hundert Jahre alt werden.

Eine unter der Erde wachsende Orchidee findet man in Australien. Nur ihr süßlicher Duft verrät sie. Damit lockt sie unter­ir­disch lebende Insekten, zum Beispiel Termiten an, die sie dann bestäuben. Wie sich aber die Samen verbreiten, bleibt ihr Geheimnis. Wir erfahren noch manch Inter­es­santes über die intel­li­genten Wander­ratten oder über die Aale, die auch sehr weit wandern. Und in der „tiefsten Tiefe“ der Weltmeere lebt noch die geheim­nis­volle Familie der Schei­ben­bauch­fische, rosafarben und mit durch­sich­tigem Körper.

Das Einstiegsbild zum Kapitel „Lange her“ ist geradezu drama­tisch: vor einem orange­roten Himmel ein rauchender Vulkan, dunkle Wälder und schwarze Flugsaurier auf Klippen und in den Lüften über einem graugelben Meer! Von den ausge­stor­benen Pflanzen und Tieren – 99 Prozent aller, die jemals gelebt haben – sind einige als Fossilien erhalten geblieben. Steine, Mineralien, manchmal verstei­nerte Fußabdrücke.

Doch gibt es auch lebende Fossilien, nämlich Pflanzen und Tiere, die sich in Jahrmil­lionen kaum verändert haben. Was wir heute noch finden, sind die spiral­för­migen Schalen der Ammoniten, Zähne des Meg, verstei­nerte Trilo­biten in verschie­denen Formen und Juraaustern. Besonders inter­essant sind die lebenden Fossilien – vom blauen Quasten­flosser, über die den Spinnen verwandten Pfeil­schwanz­krebse, die wie Trilo­biten ausschauen, bis zur echsen­ar­tigen dreiäu­gigen Tuatara Neusee­lands, nach der ein sogar ein Sport­wagen benannt wurde. Für mich persönlich das schönste Fossil ist der Ginkgo, ein Baum, der schon wuchs, als die Dinosaurier über die Erde streiften. Aus seiner chine­si­schen Heimat fand er den Weg in alle Welt und ziert auch bei uns manchen Park. Im Herbst leuchten seine fächer­för­migen Blätter goldgelb. Am Ende des Buches findet sich eine Landkarte, auf der wir den Lebensraum der im Buch beschrie­benen Pflanzen und Tiere finden. Ein Glossar gibt es auch noch. Und zum Schluss erklärt uns Jonathan Emmerson, wie er seine bunten, aber nie grellen Illus­tra­tionen zaubert.

Insgesamt ein inter­es­santes Buch, das noch Fragen offen­lässt und so zum eigenen Nachfor­schen anregt. Die jeweils kurzen Texte dürften auch Lesemuffel nicht abschrecken. Übersetzt von Frederic Kugler.